Zwangsarbeiterentschädigung

Für die Angehörigen der Verschleppungsgeneration unter den Russlanddeutschen gibt es nun eine erfreuliche Nachricht: Die Bundesregierung hat einen Entschädigungsfonds für zivile deutsche Zwangsarbeiter geschaffen. Wer zwischen dem 1. September 1939 und dem 1. April 1956 als Zivilperson wegen seiner deutschen Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit für eine ausländische Macht Zwangsarbeit leisten musste, kann nun auf Antrag eine einmalige Entschädigung von 2500 € erhalten. Zu unterscheiden ist diese Leistung von der pauschalen Eingliederungshilfe für Spätaussiedler in Höhe von 2046 € bzw. 3068 €. Diese Eingliederungshilfe bezieht sich nur auf erlittenen Gewahrsam. Wer zusätzlich Zwangsarbeit leisten musste, erhält nun weitere 2500 €. Im einzelnen:

Bei der Richtlinie handelt es sich um die „Bekanntmachung der Richtlinie über eine Anerkennungsleistung an ehemalige deutsche Zwangsarbeiter (ADZ-Anerkennungsrichtlinie)“. Sie ist am 7. Juli 2016 in Kraft getreten. Im Bundeshaushalt sind hierfür insgesamt 50 Millionen € zur Verfügung gestellt worden. Daraus folgt, dass 20.000 Personen mit der Entschädigung von je 2500 € ausgestattet werden können. Die Behörde ist berechtigt, die Auszahlung von der Reihenfolge der Anträge abhängig zu machen, sodass Personen, die zu spät den Antrag stellen, davon ausgeschlossen werden können.

Für die Antragstellung besteht eine Frist bis spätestens zum 31. Dezember 2017. Der Antrag ist an das Bundesverwaltungsamt, Außenstelle Hamm, Alter Uentroper Weg 2, 59071 Hamm, zu richten. (Anmerkung für dich: Diese Außenstelle wird ausdrücklich in der Richtlinie und den sonstigen offiziellen Materialien genannt. Ich wusste gar nicht, dass es die noch gibt. Vor zehn oder 15 Jahren haben die da noch Spätaussiedler verarztet. Da in der Richtlinie steht, dass der Antrag dort einzureichen ist, darf in dem Artikel auf keinen Fall stehen, dass der Antrag nur einfach beim Bundesverwaltungsamt, etwa in Köln, Bramsche oder Friedland, eingehen muss. Diese Auskunft wäre falsch. Also nur Hamm!).

In der Richtlinie heißt es auch, dass für Antragsteller mit Wohnsitz im Ausland auch der fristgerechte Eingang bei einer deutschen Auslandsvertretung ausreichend sei.

Ein spezielles Antragsformular kann auf der Seite des Bundesverwaltungsamts heruntergeladen werden. Für weitere Auskünfte steht ein telefonischer Service in Deutschland unter folgender Telefonnummer zur Verfügung: 0228 – 99 – 358 9800. Per Mail kann die Servicestelle unter adz@bva.bund.de erreicht werden.

Berechtigt sind auch Hinterbliebene, wenn der Zwangsarbeiter in der Zeit zwischen dem 27. November 2015 und dem 31. Dezember 2017 verstorben ist. Als Hinterbliebene kommen zum Beispiel Kinder oder Ehegatten in Betracht. Stirbt der Berechtigte nach erfolgter Antragstellung, muss das Bundesverwaltungsamt hierüber informiert werden. Die Leistungsberechtigung erlischt, wenn der Ehegatte bzw. die Kinder die Sonderrechtsnachfolge nicht bis zum 31. Dezember 2017 angezeigt haben.

Inhaltlich erfasst die Richtlinie all diejenigen, die in der Sowjetunion Zwangsarbeit leisten mussten. Es werden also nicht nur Deutsche, die nach 1945 in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit verschleppt worden sind, erfasst, sondern auch deutsche Sowjetbürger (Rußlanddeutsche), die ab 1941 Zwangsarbeit leisten mussten. Hierbei sind insbesondere die Personen in der Arbeitsarmee (Trudarmee) gemeint.

Die Betreffenden müssen deutsche Volkszugehörige im Sinne der Vorschrift sein. Nicht erfasst werden also Personen, die lediglich deutscher Herkunft sind, aber nicht die üblichen Voraussetzungen der deutschen Volkszugehörigkeit wie Abstammung, Sprache, Erziehung oder Kultur vorweisen. Typisches Beweismittel ist insoweit natürlich die Spätaussiedlerbescheinigung oder der Vertriebenenausweis. In Einzelfällen kann aber die Volkszugehörigkeit auch auf andere Weise glaubhaft gemacht werden.

Des weiteren muss glaubhaft gemacht werden, dass Zwangsarbeit geleistet wurde. Dies ist natürlich in vielen Fällen schwierig, da dies meistens nicht im Arbeitsbuch eingetragen wurde.

Die Zwangsarbeit kann natürlich in erster Linie durch Vorlage schriftlicher Nachweise glaubhaft gemacht werden. Natürlich gibt es hier Beweisprobleme. Die Frage ist natürlich auch, ob schriftliche Zeugenaussagen anderer Personen helfen können oder eine glaubhafte persönliche Schilderung der Verhältnisse. Dies wird dann die Praxis klären. Wichtig ist, dass zutreffende und nachvollziehbare Angaben gemacht werden, denn das Bundesverwaltungsamt kann die Leistung versagen, wenn jemand grob fahrlässig unrichtige oder irreführende Angaben, gemacht, veranlasst oder zugelassen hat.

Was kann getan werden, wenn das Bundesverwaltungsamt den Antrag ablehnt? Grundsätzlich handelt es sich hierbei um einen sogenannten Verwaltungsakt. Das bedeutet, dass gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsamts Widerspruch beim Bundesverwaltungsamt eingelegt werden kann. Wenn der Ablehnungsbescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält dahingehend, dass binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden kann, muss diese Frist unbedingt gewahrt werden. Gegen die Zurückweisung des Widerspruchs kann dann wiederum binnen eines Monats Klage beim Verwaltungsgericht eingelegt werden.

Die Praxis wird zeigen, inwiefern es zur Auszahlung kommt. Grundsätzlich kommen recht viele Antragsteller hierfür in Betracht. Da die betreffenden Personen nicht während des ganzen Zeitraums von 1939-1956 Zwangsarbeit geleistet haben müssen, sondern also auch zum Beispiel Personen in Betracht kommen, die noch in den letzten Monaten des Jahres 1956 Zwangsarbeit geleistet haben, ist der Personenkreis relativ weit. Zu bedenken ist auch, dass viele Russlanddeutsche schon als Kinder Zwangsarbeit leisten mussten, teilweise sogar im Alter von weniger als zehn Jahren. Dies berechtigt auch zur Entschädigung.

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