Brexit und Einbürgerung: Im Falle eines ungeregelten Brexits müssen Einbürgerungsanträge bis zum 29. März 2019 gestellt werden, damit die Antragsteller noch in den Genuss der Einbürgerung unter Beibehaltung der britischen Staatsangehörigkeit kommen können.
Am 29 März 2019 um 23:00 Uhr britischer Zeit und 0:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit wird das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union austreten, dies sowohl gemäß dem ausgehandelten Austrittsabkommen oder auch ohne Anwendung dieses Abkommens. Für in Deutschland lebende britische Staatsangehörige ergeben sich somit erhebliche Veränderungen in Bezug auf ihren aufenthaltsrechtlichen Bleibestatus, aber auch in Bezug auf andere Statusrechte, wie zum Beispiel die Vereinbarkeit mit dem Beamtenstatus oder die Anerkennung beruflicher Abschlüsse.
Im Falle eines geregelten Austritts wird direkt nach dem Austritt am 29 März 2019 eine zweijährige Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 gelten. In dieser Zeit gelten die Freizügigkeitsregeln der EU weiter fort. Auch in Bezug auf Einbürgerungen britischer Staatsangehöriger wird dann eine Übergangsregelung dahingehend gelten, dass Einbürgerungsanträge, die vor Ablauf der Übergangsphase (also bis zum 31. Dezember 2020) gestellt worden sind, nach geltendem Recht beschieden werden müssen. Dies hat dann die vorteilhafte Folge, dass die Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit erfolgen muss, von britischen Staatsangehörigen also weiterhin nicht verlangt wird, dass sie den Verlust der britischen Staatsangehörigkeit herbeiführen.
Die aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen sollen auch für britische Staatsangehörige gelten, die nach dem Austritt noch innerhalb der Übergangszeit (31. Dezember 2020) nach Deutschland ziehen. Allerdings ist von Seiten der Ausländerbehörde für diese Fälle schon ein Registrierungsverfahren geplant.
Personen, die nach fünf Jahren Wahrnehmung des Freizügigkeitsrechts ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben, müssen dieses dann behalten, etwa durch Umwandlung in eine ausländerrechtliche Niederlassungserlaubnis.
Im Falle eines ungeregelten Austritts mit Ablauf des 29. März 2019 sieht die Rechtslage zum jetzigen Zeitpunkt eine völlige Rechtlosigkeit britischer Staatsangehöriger vor: Eine visumsfreie Einreise wäre ausgeschlossen und sämtliche britischen Staatsangehörigen, die in Deutschland leben, würden von einem Tag auf den anderen ihr Aufenthaltsrecht verlieren und dürften insbesondere nicht erwerbstätig sein.
Hinsichtlich der visafreien Einreise ist allerdings jetzt schon geplant, für den Fall eines ungeregelten Brexits die EU-Visaverordnung dahingehend zu ändern, dass eine Einreise für drei Monate problemlos möglich ist, genauso etwa wie bei kanadischen oder amerikanischen Staatsangehörigen.
Des weiteren hat die Bundesregierung schon angekündigt, über eine Notverordnung eine dreimonatige Übergangsphase zu schaffen, innerhalb derer sich die betroffenen britischen Staatsangehörigen legal in Deutschland aufhalten und auch weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen. Allerdings müssen sie dann bis zum Ablauf dieser dreimonatigen Übergangszeit einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel bei der zuständigen Ausländerbehörde stellen. Der weitere Aufenthalt und die Erwerbstätigkeit sind dann für die Zeit zwischen der Antragstellung und der Entscheidung der Ausländerbehörde erlaubt. Materiellrechtlich stellt dies also einen Wechsel dar zwischen dem automatischen Aufenthaltsrecht infolge der Ausübung der Freizügigkeit als EU-Staatsangehöriger hin zu einem Aufenthaltsrecht, welches von der Entscheidung der Ausländerbehörde abhängig ist.
Innerhalb dieser drei Monate wäre der Gesetzgeber dann gezwungen, eine umfassende Altfallregelung für alle in Deutschland lebenden britischen Staatsangehörigen zu schaffen. Des weiteren müsste der Gesetzgeber dann angemessene materiellrechtliche Kriterien finden. Das deutsche Aufenthaltsrecht, welches für Drittstaatsangehörige gilt, ist nämlich im wesentlichen auf Fälle des Familiennachzuges sowie privilegierte Fälle der Erwerbsmigration (Bluecard, Schlüsselpersonal von ausländischen Firmen, Fachkräftezuwanderung) zugeschnitten. Der britische Staatsangehörige, der zum Beispiel über keinen Hochschulabschluss verfügt und der in einem Dienstleistungsberuf arbeitet, der nicht als Mangelberuf qualifiziert ist, würde dann aus dem Raster fallen. Ich denke, dass ein politischer Wille besteht, solche Fälle human zu regeln.
Des weiteren würde für den Neuzuzug britischer Staatsangehöriger das geltende Aufenthaltsrecht für Drittstaatsangehörige gelten. Es ist äußerst fraglich, ob dies flexibel genug auf die ökonomischen Bedürfnisse der weiterhin eng verbundenen beiden Volkswirtschaften reagieren kann. Den gesetzlichen Neuregelungen sehe ich insofern mit Spannung entgegen (falls es tatsächlich zu einem ungeregelten Brexit kommt, aber spätestens nach dem 31. Dezember 2020).
Hinsichtlich der Einbürgerung sieht der Entwurf eines Brexit- Übergangsgesetzes vor, dass Einbürgerungsanträge, die bis allerspätestens einschließlich zum 29. März 2019 gestellt worden sind, weiterhin nach dem für die Antragsteller günstigeren Recht behandelt werden soll, mithin die Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich ist. Wichtig zu wissen ist, dass für den Einbürgerungsantrag kein Formzwang besteht, theoretisch nicht einmal Schriftzwang. Ein schriftlich gestellter und postalisch rechtzeitig eingehender Antrag muss also nach altem Recht behandelt werden, sodass es nicht darauf ankommt, ob die Einbürgerungsbehörde sich imstande sieht, noch bis einschließlich zum 29 März 2019 einen Termin für die Antragstellung zu vergeben. Notfalls muss man hier selbst aktiv werden!
Auch wenn zu erwarten ist, dass der deutsche Gesetzgeber bemüht sein wird, großzügige Regeln zu finden, die auf die persönliche Situation der britischen Staatsangehörigen Rücksicht nehmen, sind Problemfälle denkbar. Es wird wohl das Bestreben des Gesetzgebers sein, letztendlich die Befugnis zur behördlichen Entscheidung über den Aufenthalt jedes in Deutschland lebenden britischen Staatsangehörigen zu bekommen (nach EU-Recht wird hingegen das Aufenthaltsrecht nicht durch Entscheidung der Behörde vergeben, sondern entsteht automatisch durch Ausübung des Freizügigkeitsrechts). Daraus können sich Problemkonstellationen ergeben, etwa wenn britische Staatsangehörige Sozialleistungen beziehen, wegen Straftaten verurteilt worden sind oder aus sonstigen Gründen ein staatliches Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes formuliert wird.
Diesbezüglich wird sich dann in den nächsten Jahren die Frage darauf konzentrieren, ob sich zum Beispiel Freizügigkeitsberechtigte, die nach fünf Jahren Ausübung des Freizügigkeitsrechts ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben, auf eine völkerrechtliche Gewährleistung desselben begründen können. Nach Art. 8 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) ist der Schutz des Privat- und Familienlebens essenziell. Insbesondere bei längeren Aufenthalten in Deutschland sind die persönlichen Interessen der Betroffenen regelmäßig höher zu bewerten als staatliche Interessen. Entscheidungen der Ausländerbehörde, die ein Aufenthaltsrecht verneinen, müssen also an diesem strengen Maßstab gemessen werden. Gegebenenfalls muss Rechtsschutz durch ein Verwaltungsgericht eingeholt werden.
Als geschützt dürften auch Berufsqualifikationen sowie Eigentumsrechte und vertraglich begründete Rechte gelten.
Hinsichtlich von britischen Staatsangehörigen, die Beamte einer deutschen Körperschaft sind, ist geplant, Sonderregelungen zu finden. Nach geltendem Recht dürfen EU-Staatsangehörige in Deutschland verbeamtet werden. In Hessen zum Beispiel ist geplant, eine Möglichkeit zu schaffen, jeden Einzelfall zu prüfen und dann das Beamtenverhältnis fortzusetzen. Gegen negative Entscheidungen der Behörden kann dann auch der Verwaltungsrechtsweg eingeschlagen werden.
Ungeklärt ist bisher auch das Schicksal der in Deutschland lebenden britischen Studenten. Ich gehe davon aus, dass hier eine Regelung gefunden werden wird.