Neuregelung des BVFG – Herbst 2013

Am 13.6.2013 hat der Deutsche Bundestag in seiner 246. Sitzung den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes in einer veränderten Fassung angenommen (BT-Drucksache 17/13937 vom 12.6.2013). Diese Änderungen werden dazu führen, dass eine Vielzahl von abgelehnten Aufnahmebewerbern und Einbeziehungsbewerbern nun eine zweite Chance bekommen. Genauer gesagt sind diese Änderungen sensationell!

Das zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 ist am 13. September 2013 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und damit in Kraft getreten.

Die Kanzlei Puhe wird Sie in allen diesbezüglichen Fragestellungen beraten und selbstverständlich auch vertreten.

Ich will die Regelungen im einzelnen vorstellen:

Zunächst einmal zur Aufnahme aus eigenem Recht (so genannter § 4): Bisher galt die Regel, dass ein Aufnahmebewerber deutsche Abstammung, familiär vermittelte Deutschkenntnisse (einfaches Gespräch!) und durchgehende Eintragung der deutschen Nationalität nachweisen musste. Insbesondere häuften sich die Probleme jüngerer Aufnahmebewerber aus Staaten, in denen das Nationalitätseintragungssystem abgeschafft worden war (zum Beispiel in der Russischen Föderation und der Ukraine). Für diese Personen gab es am Ende faktisch keine Aufnahme mehr in Deutschland. Auch wurde es zunehmend schwerer, bei jüngeren Personen vorhandene Sprachkenntnisse auf familiären Erwerb zurückzuführen. Die Neuregelung sieht folgendermaßen aus:

Weiterhin erforderlich ist Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen im Sinne des Gesetzes oder von einem deutschen Staatsangehörigen. Insoweit verändert sich nichts.

Es muss ein Bekenntnis zur deutschen Bevölkerungsgruppe vorliegen. Gestrichen ist im Gesetz das Wort „nur“. Dies ist eine ganz wichtige Änderung, denn frühere Eintragungen einer nichtdeutschen Nationalität sind nun nicht mehr schädlich. Wer keine Nationalitätseintragung nachweisen kann (in der Russischen Föderation und in der Ukraine gibt es dies zum Beispiel nicht mehr), der kann nun ein Bekenntnis auf „andere“ Weise abgeben. Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Da der Begriff  „vergleichbare Weise“ durch „andere Weise“ ersetzt worden ist, kann man vermuten, dass möglicherweise die Anforderungen geringer geworden sind.

Derjenige, der keine Nationalitätseintragung oder etwas ähnliches in seinen Dokumenten vorweisen kann, kann nun das Bekenntnis durch den Nachweis von Sprachkenntnissen auf dem Niveau B1 erbringen. B1 ist das Niveau, das in Deutschland für die Einbürgerung vorausgesetzt wird. Insbesondere gut gebildete junge Leute, deren Aufnahmeanträge bis jetzt daran scheiterten, dass sie entweder über keine familiär vermittelten Deutschkenntnisse verfügen oder in ihrem Herkunftsstaat keine Nationalitätseintragungen mehr vorgenommen werden können, können nun durch das Bestehen der qualifizierten Sprachprüfung in Verbindung mit ihrer deutschen Abstammung einen Aufnahmebescheid erhalten, ohne dass noch weitere Voraussetzungen erbracht werden müssen!

Informationen zu den Sprachtests und Sprachniveaus

Alternativ dazu kann ein Bekenntnis zur deutschen Bevölkerungsgruppe auch durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Beispiel: Herr Wladimir Schmidt ist 50 Jahre alt und er spricht familiär vermitteltes Deutsch. In seinem Inlandspaß war aber früher eine nichtdeutsche Nationalität eingetragen. Hier helfen ihm nun die familiär vermittelten Deutschkenntnisse. Interessant ist, dass das Gesetz insofern nicht verlangt, dass diese familiär vermittelten Deutschkenntnisse zum Führen eines einfachen Gespräches ausreichen (also über eine bloße Verständigung hinausgehen). Dies wird sicherlich von den Verwaltungsgerichten zu klären sein, doch nach dem Gesetzeswortlaut würden sogar geringere Deutschkenntnisse ausreichen als für das Führen eines einfachen Gespräches erforderlich ist.

Damit nun nicht jeder problemlos nach Deutschland kommen kann, sieht das Gesetz aber eine Erschwerung dahingehend vor, dass der Betreffende auf jeden Fall im Zeitpunkt der Übersiedlung ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen können muss. Diese Befähigung muss allerdings nicht auf familiärer Vermittlung beruhen. Ausnahmen gibt es für Personen, die sich krankheits- oder behinderungsbedingt diese Deutschkenntnisse nicht aneignen können.

Ich fasse zusammen: Wer deutscher Abstammung ist und dessen Nationalität im Inlandspaß eingetragen war oder immer noch ist, kann nun einen Aufnahmebescheid bekommen, wenn er einfache Deutschkenntnisse nachweist (diese müssen nicht familiär vermittelt sein). Wer über keinen solchen Nationalitätsnachweis verfügt, der kann entweder über den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse oder fremdsprachlich vermittelter Deutschkenntnisse gemäß B 1 einen Aufnahmebescheid erhalten.

Das Gesetz sieht in § 27 Abs. 3 vor, dass Anträge auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht an eine Frist gebunden sind. Da es sich hier nun um eine Verbesserung der Rechtslage handelt, können nun neue Anträge gestellt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn die neue Rechtslage dem Betreffenden auch weiterhin nichts bringt, etwa weil er weiterhin die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt oder weil zum Beispiel ein Ausschlussgrund gemäß § 5 BVFG vorliegt.

Das Recht der Einbeziehung wurde gänzlich neu geregelt: Bisher galt die Regel, dass die Einbeziehung des Abkömmlings oder des Ehegatten noch im Herkunftsgebiet abgewartet werden musste. Wer also ohne die Einbeziehung seiner Familienangehörigen abzuwarten nach Deutschland übersiedelte, konnte später in aller Regel die Einbeziehung nicht mehr nachholen. Eine Ausnahme ist nun vor eineinhalb Jahren in § 27 Abs. 3 BVFG geschaffen worden, wonach eine nachträgliche Einbeziehung ermöglicht werden sollte, wenn eine Härte im Sinne des Gesetzes vorliegt. In § 27 Abs. 2 ist nun geregelt, dass die nachträgliche Einbeziehung grundsätzlich auch ohne Vorliegen einer Härte möglich ist. Dies ist eine sensationelle Änderung des BVFG! Grundkenntnisse der deutschen Sprache gemäß A1 müssen natürlich vorhanden sein, es sei denn sie können krankheits- oder behinderungsbedingt nicht erworben werden.

Derjenige, dessen Einbeziehung früher einmal abgelehnt worden ist, kann nun auch einen neuen Antrag stellen, ohne dass er dabei an eine Frist gebunden ist. Wichtig ist auch, dass minderjährige Abkömmlinge keine Deutschkenntnisse mehr besitzen müssen. Bisher hatten wir die leidige Situation, dass ab dem 15. Lebensjahr Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachgewiesen werden mussten und im Alter von 12-14 Jahren geprüft wurde, ob die betreffenden Kinder Deutschunterricht in der Schule genossen. Dies ist nun alles weggefallen. Erst ab dem 18. Geburtstag müssen Kinder für die Einbeziehung auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen.

Wie gesagt, müssen wir abwarten, dass die Gesetzesänderungen in Kraft treten. Damit ist aber zu rechnen. Dann werden sich völlig neue Perspektiven für abgelehnte Aufnahmebewerber oder abgelehnte Einbeziehungswillige ergeben. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes sollte man allerdings in laufenden Verfahren unbedingt von der (noch) geltenden Rechtslage ausgehen, insbesondere die Einbeziehung des Ehegatten und der Abkömmlinge vor der eigenen Übersiedlung sicherstellen.